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Schwäbische Alb

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Es heißt, sie seien ein bisschen rau und eigenwillig, aber ausgesprochen liebenswert: Was man über die Menschen auf der Mittleren Schwäbischen Alb sagt, gilt auch für die Landschaft, in der sie leben. 50 Kilometer südlich von Stuttgart in Baden-Württemberg liegt der Landkreis Reutlingen im Mittelgebirge Schwäbische Alb, mit einem 85.000 Hektar großen UNESCO-Biosphärenreservat. Neben Wacholderheiden finden sich schroffe Felsen in sanften Tälern, imposante Schauhöhlen wie die Bärenhöhle, und malerische Dörfer. Der Landkreis ist eine sehr höhlenreiche Region und umfasst insgesamt 29 Gemeinden, die zum größten zusammenhängenden Karstgebiet der Welt gehören. Monumente des Menschen aus allen Epochen seit der Altsteinzeit sind hier zu finden – Bauwerke von Römern, Kelten und Alamannen oder Festungen der Staufer und Hohenzollern. In vielen Städten und Orten, zum Beispiel Bad Urach oder Trochtelfingen, erinnern die mittelalterlichen Grundrisse und Mauern und die Fassaden von Fachwerkhäusern noch an die Vergangenheit. 

Eine besondere Bedeutung hat die Tradition der Schäferei auf der Schwäbischen Alb. Heutzutage weiden Merino-Schafe unter anderem auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in Münsingen, wo sich im Herzen der Biosphäre eine parkartige Weidelandschaft erhalten hat, wie sie im 19. Jahrhundert für die Albhochfläche typisch war. Einige Manufakturen widmen sich der Verarbeitung der Merino-Schurwolle aus dem Biosphärengebiet und schaffen regionale Naturmode. Flomax ist eine dieser Manufakturen, die qualitativ hochwertige, strapazierfähige und gleichzeitig komfortable Kleidungsstücke aus Wolle herstellen. Auch das familiengeführte Unternehmen Hoeschele 1931 lässt in jedes Kleidungsstück aus Merinowolle den Wert der Heimat und Familie sowie die Liebe zum Handwerk einfließen. Regionale Möbel- und Handwerksprodukte, wie das Pedalo, haben auf der Schwäbischen Alb ihren Ursprung. Der Handwerksbetrieb der Familie Freudemann, zwischen den Gemeinden Engstingen am Nordrand der Alb und Trochtelfingen gelegen, stellt seit 1713 unvergleichliche und individuell gestaltete Möbelstücke her. Eine Besonderheit sind ihre Möbel aus Zirbenholz, deren Duft eine beruhigende Wirkung hat.

Kulinarische Besonderheiten gibt es im Landkreis Reutlingen reichlich. Besonders im Biosphärengebiet Schwäbische Alb steht nachhaltige Regionalentwicklung im Einklang zwischen Mensch und Natur. In der Region spielt daher auch die Landwirtschaft noch eine wichtige Rolle. Viele Bauern, wie der Biohof Gorzelany, haben sich auf ökologischen Landbau spezialisiert, wodurch das Angebot an regionalen Delikatessen, die auf den Höfen und in den Gasthäusern geboten werden, reichhaltig ist. Die Vielfalt an landestypischen Spezialitäten überrascht nicht, da der Kreis Reutlingen ein Teil des Streuobstparadieses mit etwa 1,5 Millionen Obstbäumen ist, das sich am gesamten Albtrauf entlang zieht. 

Bei der Bioland-Gemüsegärtnerei von Familie Weiss werden selbst angebaute Kräuter eigenhändig zu Albfeinkostprodukten wie Kräutermischungen, Tees, Würzsalzen, Duftzuckern, Essigen und Ölen weiterverarbeitet. Die frischen Erzeugnisse der Familie kann man mit ihrer Albbiokiste im Abo bestellen. Die Weiss-Gärtnerei liegt im kleinen Ort Gomadingen-Dapfen im Großen Lautertal, das nicht nur mit spannender Natur, sondern auch mit vielen Burgruinen aufwarten kann, deren Geschichte weit ins Mittelalter zurückführt. 

In Europas größtem Streuobstgebiet ist die Vielfalt regionaler Köstlichkeiten groß: ob Albschnecken, herzhafte Maultaschen oder Käse- und Fleischspezialitäten von echten Alb-Büffeln, Ziegen und Schafen, wie sie in der Hohensteiner Hofkäserei, der Käserei Altschulzenhof oder dem Loretto Ziegenhof produziert werden. Dass die Alb-Büffel nun wieder auf den satten grünen Wiesen weiden, nachdem es sie dort vor 120.000 Jahren schon einmal gab,  kann dem Landwirt Willi Wolf zugeschrieben werden. Das Fleisch dieser Albbüffel wird in der Albmetzgerei Failenschmid verarbeitet. Das Familienunternehmen arbeitet lokal und bio-zertifiziert und stellt neben Albbüffel-Produkten auch Alblinsenschwein-Spezialitäten her, die man in der hauseigenen Wirtschaft in Gächingen kosten kann.  

Zahlreiche Feinkostmanufakturen stellen die verschiedensten Sorten von hochwertigen Essigen, Likören, Ölen, Gewürzen und anderen Spezialitäten her. Die Manufaktur Ausemländle kombiniert Genusshandwerk mit schwäbischer Albkultur. Sie hat ihren Sitz im Albgut, wo seit 2015 die verschiedensten Manufakturen im Alten Lager des ehemaligen Truppenübungsplatzes angesiedelt sind. Mit eigenen Rezepturen werden regionale Erzeugnisse wie besondere Essigsorten, Albsamico, Pesto und Gewürze und Senfvariationen in traditioneller, handwerklicher Herstellung umgesetzt. Unterschiedlichste Essigsorten stellt auch die Reutlinger Essigmanufaktur von Frank Höwner her: in ihrem Sortiment haben sie über 40 verschiedene aromatische Apfel- und Fruchtessigsorten mit intensiven Aromen, die im traditionellen Orléons-Verfahren produziert werden. 

Am Rande der Schwäbischen Alb liegt das schöne Ermstal, das für seine Kirschen berühmt ist. Deren märchenhafte Blüte kann im Frühjahr beobachtet werden. In Dettingen im Ermstal ansässig sind viele Mostereien, Likörmanufakturen und Brennereien, wie die Brennereien Walter, Müller und Brennscheuer Straßer. Dort werden Edelbrände und Liköre aus Streuobst, Wacholder und Kräutern produziert, die in der Schaubrennerei und bei rustikalem schwäbischem Vesper genossen werden können. Das Unternehmen von Manuel Straßer blickt auf eine über hundertjährige Geschichte und Obstbautradition in der Familie zurück. Im Landkreis Reutlingen findet sich die Steinhilber Alblikörmanufaktur der Familie Heinzelmann, deren Liköre, Fruchtaufstriche, Pralinen und Sirupe die ganze Bandbreite traditioneller Likörspezialitäten der Schwäbischen Alb abbilden. Besonders einzigartig ist die Herstellung von Shrub, einem essiggesäuerten Fruchtsirup. Neben Brennereien sind einige Bierbrauereien wie die Berg-Brauerei Ulrich Zimmermann in Ehingen-Berg und die Hirschbrauerei Schilling aus Römerstein-Böhringen auf der Schwäbischen Alb angesiedelt, die nach alter Tradition und mit regionalen Rohstoffen arbeiten. 

 

Fotos von: (Titelfoto, Foto 2) Steffen Steinhäusser; (Foto 1) Johannes Vogt Schwenkel; (Foto 3) Karin Boldt; (Foto 5) Frank Gaerter