Holzbau – das klingt nach schwedischem Holzhaus, nach Hütte, kurz: nach einer Hausbauform, die dem Stein- und Betonhaus in vielen Belangen an Solidität und Variabilität unterlegen ist. Und daher kaum zukunftsfähig. Doch viele Architekten wissen, dass der Holzbau ausdrucksstark, wirtschaftlich und zukunftsfähig sein kann, wenn… ja wenn Entwurf und Planung auf aktuellen Fertigungsmethoden aufbauen.
Der umfangreich bebilderte Band „Architektur fertigen – konstruktiver Holzelementenbau“ von Mario Rinke und Martin Kramer gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um die Zukunft des Holzelementbaus.
Die beiden Herausgeber wissen wovon Sie sprechen. Mario Rinke, Professor an der Universität Antwerpen, forscht und lehrt zu bautechnischen und konstruktiven Aspekten der Architektur. Ausgebildet als Bauingenieur und seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Architektur tätig, interessiert er sich vor allem für Transformationsprozesse von technischem Wissen, Materialien und Institutionen. Aus kulturhistorischer Perspektive beschäftigt er sich mit Kreislauf- sowie Hybridmaterialkonzepten und studiert die Geschichte frühindustrieller Werkstoffe wie Stahlbeton und industriell gefertigtem Bauholz. Martin Krammer ist Architekt und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Offconsult AG, Zürich.
Holz sei heute, so die Herausgeber im Vorwort, eigentlich ein sehr verdächtiger Baustoff. Es verknüpft, insbesondere in der Schweizer Architekturlandschaft, in der die Herausgeber zuhause sind, Assoziationen, die sich auf eine handwerklich orientierte Tradition ebenso beziehen wie auf Hightech und Architekturutopien. Holz ist mit einfachen Werkzeugen formbar und begegnet uns in unzähligen Formen in unserem Alltag, kleidet Wirtshäuser, Boutiquen und unsere Wohnzimmer, während es sich in Fabriken zu grossen und immer neuen Formen kleben und formen und zur Konstruktion weiter Räume oder gar Hochhäuser zusammenfügen lässt. Diese Bandbreite an Erscheinungsformen war und ist nur möglich, weil Holz als Werkstoff in seiner reichen Kultur- und Konstruktionsgeschichte immer anpassbar war und sich in seiner kontinuierlichen Präsenz immer wieder in neuen Rollen und Formen wiedergefunden hat. Denn mit diesem historischen Blick, vor allem auf die Rolle des Holzes in den letzten 150 Jahren, kann und muss gesagt werden: Holz ist nicht gleich Holz! Man muss auch auf den konkreten Einsatz schauen.
Obwohl für das massive Konstruktionsholz meist aus Kostengründen zahlreiche Techniken zum Zusammenfügen aus kleinteiligen Elementen entwickelt wurden, so die Herausgeber, stehen die industriellen Schritte zu Sperr- und Brettschichtholz für entscheidende Schübe hin zu einer präzise gesteuerten Materialherstellung. Dieser verschobene Fokus in der Konstruktion, von der Konfiguration der Teile hin zum konfigurierten Material, ist ein Kennzeichen der konstruktiven Moderne. Hier wurden in den Bestrebungen von Industrie und Wissenschaft in Verbindung mit ökonomischem Druck einige neue Entwicklungen und Umbrüche im Bauwesen angestossen. Aber ist das Bauen mit Holz nun heute noch nachhaltig?
Bei der gesamtheitlichen Betrachtung von ressourcenschonenden Bauweisen zeige Holz, so Rinke und Krammer, sein umfangreiches Qualitätsspektrum. Umnutzungen, städtebauliche Verdichtungen und Ertüchtigungen werden das Bauen der Zukunft bestimmen. In dynamischen Nutzungskontexten und temporären Bauten zeigen sich wiederum die zirkulären Eigenschaften von Holzkonstruktionen – weit vor allen anderen Bauweisen. Nicht zuletzt sind es unsere kognitiven Erfahrungen mit dem Material, seinen Oberflächen und seinem Verhalten im Alterungsprozess, die zu einer positiven Bewertung führten, so das Fazit der Experten.
Im Sinne einer Holzarchitektur von morgen müssten Entwurf und Planung auf den Kenntnissen zu aktuellen Fertigungsmethoden aufbauen. Damit könnte die Architektur ausdrucksstark, wirtschaftlich und zukunftsfähig sein. Rinke und Kramer sprechen vor allem die Architekten selbst an: Es zeigt sich aus den Erfahrungen von technischen Umgestaltungsprozessen in der Architektur: Eine wirklich tiefgreifende und sinnhafte neue Holzarchitektur kann es nicht ohne Architektinnen und Architekten geben. Sie sind diejenigen, von denen ein ganzheitlicher Konstruktionsprozess ausgehen muss und die die Entwicklung vorantreiben sollen. Dazu müssen sie in die Lage versetzt werden, anhand der technischen, logistischen und fachplanerischen Zusammenhänge grundsätzliche Entscheidungen zu treffen und die entscheidenden Fragen im Sinne des architektonischen Entwurfes zu stellen. Hierfür Kenntnisse und Anregungen zur Verfügung zu stellen und damit das Verständnis bei den Planenden zu fördern, ist die Aufgabe dieses Buches.
Das Buch konzentriert sich auf den Entwurfsprozess. Im einleitenden Teil werden die wesentlichen Bedingungen des Materials, generelle Zusammenhänge zwischen Fertigung bzw. Entwurf und Planung vorgestellt. Ein auf die Umsetzung bezogener Beispielteil ergänzt die Fachbeiträge. Planende erhalten so einen Leitfaden, um den Entwurf in die Baubarkeit zu überführen mit gezielten Hinweisen in ganz verschiedenen Planungssituationen.
Mit weiteren Beiträgen von:
Marianne Burkhalter und Christian Sumi, Mathias Heinz, Richard Jussel, Hermann Kaufmann, Martin Krammer, Frank Lattke, Katharina Lehmann, Peter Makiol, Mario Rinke, Sandra Schuster, Manfred Stieglmeier, Julia Selberherr, Kai Strehlke, Thomas Wehrle, Agnes Weilandt, Yves Weinand, Jan Willmann, Mark Aurel Wyss, und einem kuratierten Beispielteil von Claudia Escudero, Judith Gessler, Sandra König, Anja Meyer und Nikolas Wälli.
Architektur fertigen: Konstruktiver Holzelementbau
Mario Rinke, Martin Krammer (hrsg.)
2020. 208 Seiten.
23 x 33 cm. Klappenbroschur.
ISBN 978-3-03863-056-2
Zürich, Triest Verlag
68,00 €
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Foto Credits: Triest Verlag