Die Letzten ihrer Zunft

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Die Deutsche Manufakturenstraße ist seit diesem Jahr um die – auch auf die Zukunft weitergeführte – Red List reicher: die Liste der bedrohten handwerklichen Gewerke. Sie sind Teil des Immateriellen Kulturerbes, das in Deutschland leider viel zu wenig geschützt ist. Oder wenigstens unterstützt. Denn egal wie man sie nennt: seltene Handwerksberufe oder in ihrer Existenz bedrohte – es sind in jeden Fall solche, bei denen die Weitergabe des Wissens in die nächste Generation auf dem Spiel steht. Dadurch, dass etwas rar ist, erhält es fast schon von selbst einen besonderen Wert.

Der Falkenhorst auf Schloss Aschbach Nicolaus Freiherr v Pölnitz

Die Fotografen Tina Deiniger und Gerhard Jaugstetter sind den „Letzten Handwerkern ihrer Zunft“ auf der Spur. Holzrücker, Rechenmacher und Flussfischer – diese Bezeichnungen mögen heute in Instagram-Zeiten antiquiert klingen, sie drücken jedoch eines aus: die Nähe von Mensch und Arbeit. Über Jahrhunderte tradiert, sind solche Berufe heute selten geworden. Manche überdauern nur noch in den Personen, die tatsächlich die Letzten ihrer Zunft in Franken zu sein scheinen. Und so widmet sich der Bildband zu altem Handwerk und aussterbenden Professionen Menschen, die keinen Job, sondern eine Berufung haben, Menschen, die sich mit ganzem Herzen ihrer Arbeit verbunden fühlen und die nicht wissen, ob es noch einen Nachfolger geben wird auf ihren Spuren. Unermüdlich und erfinderisch müssen sie sein, um ihren Beruf über die Zeit und damit ihre eigene Existenz zu retten. Und das stellt jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung dar: für den Fassmacher aus Bad Staffelstein ebenso wie den Geigenbogenbauer aus Kosbach oder die Hufschmiedin aus Wiesentheid.

Die alte Druckerei von Haßfurt
Horst Ockler an der Arbeit in seiner Druckerei

Den beiden Autoren war aufgefallen, dass viele alte Berufe, die ihnen seit ihrer Kindheit vertraut waren und zu dem gehörten, was Heimatgefühl ausmachte, im Laufe unseres Berufslebens unmerklich aus der näheren Umgebung verschwunden waren: Sattler, Schmied und Wagner gab es früher in jedem Dorf! Noch dazu sind die Autoren ebenfalls Handwerker, arbeiten aus arbeiten aus Überzeugung analog. Die beiden fotografieren trotz des Siegeszugs digitaler Fototechnik weiterhin auf Filmmaterial, entwickeln es im eigenen Labor, fertigen davon Kontaktabzüge und vergrößern anschließend die ausgewählten Bilder selbst.

Nun mussten die zwei Fotografen feststellen, wie schwierig es war, den jeweils »Letzten seiner Zunft« zu finden. (Hätte es 2011 bereits die Red List der Deutschen Manufakturenstraße gegeben, hätte diese helfen können!) Mit Hilfe von Berufsverbänden und öffentlichen Einrichtungen suchten sie damals sie in den hintersten Winkeln Frankens.

Die Pferdesattlerei von Trossenfurt

Auf die Gründe, warum manche Berufe vom Aussterben bedroht sind, gingen die beiden auch ein; so sind durch maschinelle Fertigung von seriellen Wegwerfprodukten viele Reparaturen unrentabel geworden, dadurch haben vor allem kleinere Betriebe ein zum Überleben notwendiges Zubrot verloren. Dazu bestimmt immer mehr das Internet, in der ein Mausklick sogar den Besuch einer Buchhandlung überflüssig zu machen scheint, die Richtung der gesellschaftlichen Entwicklung.

Nachhaltigkeit wird schon immer, so teilt auch dieses Buch unsere Auffassung, im Handwerk praktiziert. Die Achtung der Handwerker vor ihrem Arbeitsmaterial und ihrem Werkzeug, ihre Liebe dazu fiel den beiden Fotografen gleich bei den ersten Fototerminen auf. Von Mal zu Mal bekamen sie mehr Respekt vor ihrer genauen Kenntnis der Rohstoffe und ihrer Erfahrung, wie sie sich bei Hitze, Feuchtigkeit oder unter hoher Belastung verhalten. Ihr Umgang mit den nicht selten unterschiedlichen Materialien wirkte auf uns zeitweise fast zärtlich, wie zum Beispiel bei den Instrumentenbauern.

Der Geigenbauer im Ampferbach Georg Kastl

Tina Deininger, Jahrgang 1953, und Gerhard Jaugstetter, Jahrgang 1956, sind Berufsfotografen und haben bereits mehrere Bildbände veröffentlicht. Gemeinsam arbeiten sie an verschiedenen, oft durch Literatur im spanisch-portugiesischen Sprachraum angeregten Projekten. Ihre Liebe zu Lateinamerika ließ sie die Faszination des argentinischen Tangos entdecken, der inzwischen zum Weltkulturerbe gehört. In den Straßen, Cafés und Tanzschulen von Buenos Aires entstand ihre Liebeserklärung an die Tango-Pasión und an das Paris Südamerikas.

Die Letzten ihrer Zunft. Altes Handwerk und seltene Berufe in Franken. 
Tina Deininger und Gerhard Jaugstetter
2011. 144 Seiten.
ISBN 978-3-86913-103-0
Cadolzburg, ars vivendi verlag
19,90 €

Bestellbar hier.

Foto Credits: Tina Deininger und Gerhard Jaugstetter, ars vivendi verlag.