„Schwerter zu Pflugscharen“ – dieses Zitat aus der Bibel hat sich zum Symbol der weltweiten Abrüstung mit dem Ziel des Völkerfriedens entwickelt. Es kommt der alttestamentlichen Forderung nach, aus einer Kriegswaffe ein Gerät für den Erhalt des Lebens zu entwickeln. In Anlehnung an dieses Motto einer Friedensvision hat das Land Niedersachsen ein Zeichen gesetzt. Alljährlich trennt sich die dortige Polizei von älteren und irreparablen Dienstpistolen und lässt sie einschmelzen.. Es sei denn, dass aufgrund einer ausgefallenen Idee aus Dienstwaffen Füllfederhalter werden. Im Jahr 2018 setzten die auf 1.000 Exemplare limitierten Füller mit der eingravierten Seriennummer einer ausgesonderten Waffe symbolisch ein Zeichen gegen die steigende Zahl an Schusswaffen und für ein friedliches Zusammenleben.
Hergestellt wurden die außergewöhnlichen Schreibgeräte von der kleinen Manufaktur Waldmann, die sich unmittelbar vor den Toren der Schmuck- und Goldstadt Pforzheim befindet. Mit der Entwicklung und Produktion von ausgefallenen und hochwertigen Schreibgeräten begann das Unternehmen bereits vor mehr als 100 Jahren. Als Adolf Waldmann 1918 startete, galt der klassische Bleistift für den Großteil der Bevölkerung als das Schreibgerät schlechthin.
Waldmann verfolgte die Idee, die schlichten Stifte durch schmucke Metallhülsen aus Gold und Silber aufzuwerten. Die dafür erforderlichen Facharbeiter wie der Guillocheur, Graveur oder Schmucksteinfasser waren in Pforzheim und Umgebung leicht zu finden. So entstand der „Schieber“, bei dem ein schmaler und eher unscheinbarer Bleistift in ein üppig verziertes Griffrohr aus wertvollen Metallen gesetzt wurde. Zum Schreiben wurde der Bleistift mit Hilfe des seitlichen Schiebers nach vorne befördert.
In den Anfangsjahren umfasste das Sortiment auch kleine Gebrauchsartikel wie Taschenspiegel, Zahnstocher und Zigarettenspitzen, ehe es 1921 um Füllfederhalter erweitert wurde. Doch Waldmann wollte mehr, tüftelte an immer neuen Entwicklungen, zum Beispiel an innovativen Druck- und Drehmechaniken, die aus den USA nach Europa gelangten. Seinen ersten großen Erfolg konnte der Schwarzwälder 1937 erzielen, als er die von ihm patentierte Erfindung eines Vierfarb-Drehbleistifts auf der Weltausstellung in Paris präsentierte und dafür mit der Silbermedaille für Design und Funktionalität ausgezeichnet wurde.
Die Zerstörung seines Fabrikgebäudes im Februar 1945 war ein herber Verlust für Waldmann, da nicht nur die Produktionsanlagen vernichtet wurden, sondern auch alle technischen Zeichnungen und archivierte Muster. Nur die Schreibgeräte, die er in sein Privathaus ausgelagert hatte, überlebten. Dennoch schaffte es der engagierte Unternehmer mit seinen ihm verbliebenen Mitarbeitern, im März 1946 die Fertigung an einem anderen Standort in der Stadt wieder aufzunehmen. 1972 gelang ihm ein besonderer Coup mit dem „Two-in-one“, den er sich ebenfalls patentieren ließ. Dabei handelt es sich um einen Druckkugelschreiber, dessen anderes Ende sich gleichzeitig als Füller verwenden lässt.
Nachdem die Firma einige Jahrzehnte Massenprodukte für die Marke Rotring sowie „Taschengebrauchsartikel“ aus massivem Silber wie Handtaschenspiegel, Zigarettenetuis und Zahnstocher gefertigt hatte, strich Ende der 1990er-Jahre derer neue Eigentümer Stefan Schnirch das Programm zusammen und besann sich auf die Herstellung von Schreibgeräten zurück. Sein höchstes Gut ist die jahrzehntelange Erfahrung der Mitarbeiter. Viele von ihnen üben Berufe aus, die es nur noch in der Schmuckstadt Pforzheim gibt – von der so genannten Kabinettsangestellten, die in der Manufaktur organisatorische und kaufmännische Tätigkeiten wahrnimmt, bis hin zur Polisseuse, die auf das händische Polieren der einzelnen Bestandteile eines Schreibgeräts oder Schmuckstücks spezialisiert ist. „Allen gemeinsam ist das Gefühl für die empfindlichen Materialien und den richtigen Umgang mit ihnen“, hebt Schnirch die „unbezahlbaren Fähigkeiten“ seiner Facharbeiter hervor.
Die Grundlage für jedes Waldmann-Schreibgerät ist 925er Sterling Silber. Bis zu 900 Kilo dieses edlen Metalls verarbeitet die rund 25 Mitarbeiter zählende Firma pro Jahr. Auch wenn Lackierungen und Elemente wie Rhodium oder Leder hinzukommen können, wird immer Silber verwendet, im Durchschnitt 8,5 Gramm pro Stift. 17 verschiedene Kollektionen an Füllfederhaltern, Tintenrollern, Kugelschreibern und Bleistiften mit höchst unterschiedlichen Designs zählt das Sortiment, jeweils in bis zu 35 Arbeitsgängen „Made in Germany“.
„Etwa 70 Prozent der Arbeitsschritte sind reine Handarbeit, weil eine automatisierte Produktion bei den empfindlichen Edelmetallen Dellen und Kratzer verursachen würde“, betont Schnirch. Auf jeden Arbeitsgang – vom Zuschnitt der von Pforzheimer Produzenten stammenden Silberrohre bis hin zur Erhitzung und Formung der Hülsen oder deren Lackierung – folgt die Qualitätskontrolle. Ebenfalls von Hand überprüfen die Mitarbeiter jedes Endprodukt.
Aufgrund der individuellen Bearbeitung seiner Oberfläche wird jedes Schreibgerät zu einem Unikat. Sie beruht auf alten Handwerkstechniken, die nur noch wenige Hersteller weltweit beherrschen. Während Experten beim Guillochieren spezielle, aus sich überlagernden Linienzügen bestehende Muster aus dem Silber herausschneiden, versehen sie bei der schon von Künstlern der Renaissance angewandten „Wiener Gravur“ die Hülsen der Schreibgeräte mit dreidimensional wirkenden Akanthusblatt-Motiven. Dabei hinterlässt der Graveur seine individuelle Handschrift.
Frei von Hand mit einem Gravur-Stichel schaffen die Meister ihres Fachs gerade einmal zehn solcher Hüllen pro Tag. Das schlägt sich auch im Preis nieder: Ein solches Unikat kostet im Fachhandel und bei Juwelieren je nach Schreibgerät zwischen 380 und 3200 Euro.
Waldmann hat es vom kleinen Schwarzwälder Schreibgerätehersteller zu einem international erfolgreichen Unternehmen geschafft, bei dem in Abwandlung eines Sprichworts Schreiben Silber ist. Die Produkte werden in 60 Ländern weltweit verkauft. Darüber hinaus fertigen die Pforzheimer Metallschreibgeräte in größeren Stückzahlen für namhafte Anbieter aus der Schreib- und Schmuckwarenbranche, die unter deren Marke vertrieben werden, sowie limitierte Auflagen oder gar Einzelstücke für besondere Kunden und Anlässe. Dazu zählen u.a. hochkarätige Golfturniere und Segelwettbewerbe oder der Lufthansa-Erstflug des Airbus A-380.
Aber auch Fürsten, Scheichs und Präsidenten lassen an der Manufaktur-Tür anklopfen, mitunter mit eigenen Designvorstellungen. Zu den Wünschen der illustren Gäste zählen dann auch Gold und Diamanten. Entsprechende Sonderanfertigungen können zwischen 30.000 bis 100.000 Euro kosten – netto ab Werk. Sogar in Steven Spielbergs Gaunerkomödie „Catch me if you can“ konnte ein Waldmann-Stift bewundert werden: In dem Streifen mit den Hollywood-Stars Leonardo DiCaprio und Tom Hanks wurde der in den 1950er-Jahren patentierte, originale Zwei-Farben Drehkugelschreiber mit einer Nebenrolle bedacht. Dies war Grund genug für seinen Hersteller, diesen zu Ruhm gelangten Kugelschreiber anlässlich des 100-jährigen Firmenjubiläums als Sonderedition neu aufzulegen.