Johanna Beils Figuren sind Menschen aus dem täglichen Leben. Zeitungsleser, Paare auf der Parkbank, Gassigeher, Kreuzworträtslerinnen, Menschen die wir jeden Tag sehen, ohne sie wirklich anzuschauen. Einfühlsam beobachtet, ein bisschen überzeichnet vielleicht, meist voller Humor und immer ungeheuer lebendig.
Johanna Beil kommt aus einer Künstlerfamilie, das Zeichnen und Malen spielte eine wichtige Rolle. So wundert es nicht, dass sie Illustratorin wurde. 20 Jahre war sie als Illustratorin für verschiedene Designagenturen und Zeitschriften tätig. Plastisch zu arbeiten, begann sie damit, Figuren für ein Schachspiel zu modellieren.
Eine Reise durch Indien war dazu die Initialzündung. Dort erstand sie einige aufwändig aus Knochen geschnitzte Schachfiguren. Krieger, Elefanten, Kamele. Das Spiel war leider inkomplett und die Idee, ein eigenes Spiel zu bauen, damit geboren. Inspiriert durch die indischen Figuren, entstand eine wilde Bauernmeute mit Pferden und Elefanten, reduziert auf die Köpfe.
Nach diesem Anfang folgten bald ganze Figuren – kann man doch so noch viel mehr ausdrücken, als mit einem Kopf. Sie modellierte alte Paare, selbst versunken, ins Gespräch vertieft, zugewandt heiter, zuweilen aneinander frustriert. Grantler, Kauze, scheinbar Unscheinbare – ein menschliches Universum im Taschenformat.
Beils Figuren sind weiß, der Ton bleibt roh und unglasiert. Keine Farbe lenkt ab, von ihrer Detailverliebtheit. Es gibt das Spiel von Licht und Schatten, die Form, die feine Kontur, Johanna Beil ist eine, die die Menschen mag – die genau hinschaut und sie (meist) trotzdem mag. Kaum einer ist hier jung, schön und faltenfrei, kaum einer hat Idealmaße. Und gerade das berührt uns – die Schönheit des Eigenen, des nicht stromlinienförmig Geglätteten.
Immer wieder danach gefragt, fing sie an, auch „wirkliche“ Portraits anzufertigen. Viele charmante Geschichten hat sie inzwischen erlebt mit Leuten, die kommen, um sich selbst und ihre Liebsten portraitieren zu lassen. Die Eltern beim nachmittäglichen Plausch, die alte Mutter, den Göttergatten beim Angeln, den Helden der Kindheit mit der Gitarre….
„Dazu entwickeln wir im Gespräch, wie wir den Menschen, der portraitiert werden soll, darstellen wollen, was wir vielleicht noch miterzählen wollen. Das ist das Schöne an dieser Arbeit – ich bekomme einen kleinen Einblick in ein Leben. Wenn es mir gelingt davon etwas einzufangen und die Poesie darin sichtbar zu machen, dann ist mir die Arbeit gelungen.“
Johanna Beil teilt sich ein kleines Werkstatthaus mit dem Holzbildhauer und Theaterplastiker Oliver Schüler-Lürssen „Bellealliance“ in einem Hinterhof in Hamburg Eimsbüttel.
Fotos von Axel Fidelak.