DMS im Gespräch mit Stefanie Hering.
„Hering Berlin“ hat über die letzten Jahre eine interessante Position aufgebaut. Hering produziert Porzellan auf höchstem Niveau, auf der Ebene der großen traditionellen Porzellanmarken, Gourmet-Restaurants aus aller Welt zählen zu den Kunden – doch gleichzeitig ist die Manufaktur kleiner als diese Traditionsbetriebe, also sagen wir: mittelgroß.
Ich wollte immer als Manufaktur arbeiten, die zwischen dem einzelnen Töpfer und der Industrie steht.
Eine schwierige Mitte oder?
Je mehr Umsatz du bekommst und auch brauchst, um dieses Rad zu drehen, desto mehr musst du in Vertrieb und Marketing und in die Produktion investieren. Eine Person schafft das nicht, man braucht ein Team dafür. Gutes Personal zu finden ist ein kompliziertes Thema, viele Top-Leute gehen eher in die Industrie. Aber es gibt einen relativ neuen Gegentrend in der Gesellschaft – eine Rückbesinnung auf die Außergewöhnlichkeit handgefertigter Objekte und auf die Kulturtechniken, die dahinter stehen. Plötzlich ist Manu Factum wieder ein explizites gesellschaftliches Thema. Und das zeigt sich deutlich an vermehrter positiver Resonanz in den Medien und bei den Käufern, Sammlern und Liebhabern unserer Stücke.
Das gestaltende Handwerk führt in der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland eher ein Schattendasein.
Das ändert sich gerade, doch schau dir Frankreich an oder Japan, wie sie ihre Leute schätzend behandeln. Junge Menschen in Deutschland, die eine Chance auf Aufstieg und Anerkennung im Handwerk wollen, finden diese bei uns oft nicht. Es ist ja auch so, dass junge Menschen schon in die Richtung geprägt sind, dass man mindestens drei Jahre Studium braucht, um es zu etwas zu bringen, die Karrieren liegen woanders, Handwerk existiert da im Wortschatz praktisch nicht mehr. Da ist die Anerkennung in der Gesellschaft abhanden gekommen und findet erst jetzt wieder einen guten Grund und Boden in der ganz jungen Generation, die sich – und das finde ich hochinteressant – für Nachhaltigkeit und Manufakturproduktion begeistert.
Stößt die hohe Qualität der Luxusproduzenten allgemein hier im Lande einfach auf kein Verständnis?
Was hat das denn mit Luxus zu tun? Manufakturen produzieren Dinge in einer Werthaltigkeit, die Generationen überdauert. Das ist Nachhaltigkeit pur. Wenn ein Student sagt, es ist ihm wert, viel Geld für eine Tasse auszugeben, weil sie ihm sein Leben lang Freude bereitet, dann muss er noch lange nicht reich sein. Klar brauche ich auch vermögende Leute, um 100 solcher Tassen auf einen Schlag zu verkaufen, sonst könnten wir auch nicht überleben.
Ist es zu hoch gegriffen, wenn man Manufakturen eine Art Bildungsauftrag zubilligt, im Sinne einer ästhetischen Erziehung?
Ich finde, dass man das genauso sagen kann. Die Dinge umgeben uns ja. Früher hat man in der Grundschule stricken gelernt. Wenn man Eltern hat, die nicht wissen, wie man einen Hammer in der Hand hält, wie soll das Kind herausfinden, dass es vielleicht später einen Beruf ergreifen könnte, bei dem es mit Holz arbeiten kann? Es gibt ja keinen Kontakt mehr zur materiellen Umwelt, das haben wir uns selbst abgesägt. Wir müssen der jungen Generation zeigen, dass es noch etwas anderes außer Handys gibt. Ich glaube, wir haben sogar die Pflicht dazu.
Läuft der Verkauf von Hering Berlin eigentlich über Messen?
Messen sind schon seit längerem kein Thema mehr. Die Ausgaben sind sehr groß, sie stehen in keinem Verhältnis zum Umsatz, den man damit macht. Wir haben eine andere Strategie entwickelt, um in den internationalen Designzentren wie Mailand und Paris präsent zu sein. Dabei setzen wir auf exklusive kleine Events mit ausgesuchter Presse, Kunden und Sammlern, bei denen man das Erlebnis „Hering Berlin“ in spannender Atmosphäre inszenieren kann.
Was bleibt dann als Vertriebsstrategie?
Wir agieren selektiver und mehr auf unsere Zielgruppe zugeschnitten – statt zu versuchen, einen ganzen Markt zu bedienen. Wir müssen ausgewählte Partner suchen. Und schon noch Messen machen, aber nur in denjenigen Ländern, in denen bereits ein Netzwerk aufgebaut wurde.
Der Aufbau von internationalen Vertriebsstrukturen wird ja – jedenfalls in Bezug auf Manufakturen – von der Politik nicht unbedingt umfangreich unterstützt.
Ich sehe da nichts von politischer Seite. Wir brauchen wieder einen Stolz für das, was im eigenen Lande passiert, diese kunsthandwerklichen Betriebe sind Botschafter für das Land. Manufakturen und Kunsthandwerker halten „Made in Germany“ hoch, wir repräsentieren das, was nicht so leicht austauschbar ist. Gerade im Bereich des Porzellans etwa. Nirgendwo auf der Welt gibt es noch so viele erstklassige Porzellan-Manufakturen wie in Deutschland. Die Bundesregierung könnte das einmal entsprechend würdigen. Vielleicht auch ganz praktisch: Für Kleinstbetriebe müsste man die Unternehmenssteuer abschaffen. Wenn wir unseren Gewinn nicht versteuern müssten, wäre vielen geholfen.
Dieses Interview ist ein Auszug aus dem Buch:
Handmade in Germany. Manufactory 4.0.
Herausgeber: Katja Kleiss
Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
Verlag: ARNOLDSCHE; Auflage: 1 (1. Juli 2019)
Sprache: Englisch, Deutsch
ISBN-10: 3897905418
ISBN-13: 978–3897905412
Webseite:
https://www.heringberlin.com