Eine Produktdesignerin, die mit dem Blick einer Porträtfotografin und den Techniken eines alten Handwerks Hüte kreiert - Nada Quenzel zeigt in ihrem Berliner Atelier, wie aufregend es sein kann, wenn verschiedene Leidenschaften in einem Produkt verschmelzen.
Verwegen, herb, romantisch, kultiviert, geheimnisvoll, sportlich, kreativ, selbstbewusst, spleenig: Ganz automatisch leiten wir von der Kopfbedeckung die Eigenschaften eines Menschen ab. Ein Hut ist ebenso Botschaft wie Kleidungsstück. Es ist dieser Effekt, der Nada Quenzel fasziniert – als Fotografin und als Hutdesignerin.
Schon im Produktdesign-Studium an der Fachschule für angewandte Kunst Wismar-Heiligendamm erlebte Nada Quenzel interdisziplinäre Denk- und Arbeitsweisen. Die Schule trägt die Bauhausideale weiter. So gehört zum Studium eine solide handwerkliche Ausbildung. Nach dem Diplom im Jahr 2003 arbeitet Nada Quenzel neun Jahre als Fotodesignerin, bevor sie sich an die Hutmacherei herantastet.
Sie war vom Produkt Hut fasziniert, da es ihr als Designerin ein unglaublich weites Feld eröffnete. Sie wollte wissen, ob es möglich wäre, ihn aus den Vitrinen zurück in den Alltag zu bringen. 2012 findet die Designerin in Solingen eine Hutmacherin mit Theaterhintergrund. Von ihr bekommt sie einen tiefen Einblick in das alte Handwerk: Materialien, Werkzeuge, Formen und Techniken.
Heute hat Nada Quenzel etwa 200 Modelle im Repertoire. Grundform, Materialien, Farbe, Gestalt der Krone, Breite und Biegung der Krempe, bei Kappen die Größe und Form des Schirmes: Damit spielt die Designerin und reproduziert nicht nur klassische Hutformen.
Extravagante Kunsthüte sind nicht das Ziel. Nada Quenzel kreiert markante, klare, alltagstaugliche Designs. Die Finesse steckt im Detail, in kleinen Überraschungen wie leicht veränderten Proportionen, einem neuen Kniff für das Kronendach, einer Faltung oder einer ungewöhnlichen Gestaltung der Hutränder. So entstehen Kopfbedeckungen, die klassische Eleganz ausstrahlen und gleichzeitig ins 21. Jahrhundert gehören.
Für Sommerhüte kommen Stroh, Papiergarn, Sisal, Parasisal, Bao und Seegras zum Einsatz. Für Winterhüte nur feinster Haarfilz. Das ist ein besonders edles und strapazierfähiges Material – weich, warm und äußerst formstabil, außerdem wind- und wasserabweisend.
Hutmacherei, so wie Nada Quenzel sie praktiziert, ist ein aufwändiges Handwerk. Filzhüte entstehen in ihrem Berliner Atelier wie vor 100 Jahren aus einem Rohling, dem sogenannten Hutstumpen. Dieser wird auf dem Hutweiter erhitzt, bis er weich und formbar ist. Anschließend wird er auf eine Holzform aufgezogen oder von Hand modelliert. Nach dem Trocknen sind noch zahlreiche weitere Arbeitsschritte erforderlich, bevor der Hut seine endgültige Form gefunden hat. Zum Schluss wird der Krempenrand versäubert und das Hutband eingenäht. Das Vorgehen ist bei Stroh- und Papiergarnhüten ähnlich, nur dass der Rohling nicht erwärmt, sondern lediglich angefeuchtet wird. Je nach Modell stecken ein bis zwei Tage Arbeit in einem Hut.
Die hölzernen Hutformen hat Nada Quenzel nach eigenen Entwürfen anfertigen lassen. Für manche Modelle kommen auch historische, siebzig bis achtzig Jahre alte Hutformen zum Einsatz – ebenso wie Hutstumpen aus der Ära, es sind Raritäten. Es geht dabei nicht um Nostalgie, sondern um Qualität. Das Material ist oft besonders gleichmäßig und nicht selten ungewöhnlich koloriert. Beim Stroh sind teilweise sehr feine, sehr aufwendige Flechttechniken zu finden. Die größten Schätze im Fundus sind antike Rohlinge für die berühmten Florentiner. Einzigartig an diesen Modellen war ihr Aufbau aus miteinander verkettelten Weizenborten: Stumpen dafür werden seit fast 70 Jahren nicht mehr hergestellt.
Es gibt eine neue Lust auf Hut, da ist sich Nada Quenzel sicher. Das zeige der Blick auf die Straßen und in die Cafés Berlins. Das zeigt das Interesse am Stand der Designerin, wenn sie auf Messen ausstellt. Nada Quenzel ist überzeugt, dass es einen Hut für jeden Kopf gibt.